Forschung zu nachhaltiger Energie um äthiopischen Mega-Staudamm

Forschung zu nachhaltiger Energie um äthiopischen Mega-Staudamm

Solar- und Windkraft könnten geopolitischen Konflikt in Nordostafrika entschärfen

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Eine Gruppe von Forschern aus Belgien und Deutschland hat in einer neuen Studie gezeigt, dass mehrere Unstimmigkeiten zwischen Äthiopien, Sudan und Ägypten um Afrikas größtes Wasserkraftwerk, den neuen Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD), durch einen massiven Ausbau der Solar- und Windenergie in der Region gemildert werden könnten. Die Anpassung des GERD-Betriebs zur Unterstützung der Netzintegration von Solar- und Windenergie würde allen beteiligten Ländern greifbare Energie- und Wasservorteile bringen und regionale Win-Win-Situationen schaffen. "Unsere Ergebnisse befürworten die Aufnahme einer integrierten Wasserkraft-Solar-Wind-Planung in die GERD-Verhandlungen", sagt Sebastian Sterl, Energieplanungsexperte an der Vrije Universiteit Brussel (VUB) und der KU Leuven in Belgien und Hauptautor der Studie, die im Fachblatt Nature Energy veröffentlicht wurde.

Seit mehreren Jahren eskalieren die politischen Spannungen zwischen Ägypten, Sudan und Äthiopien im Konflikt um das größte Wasserkraftwerk Afrikas: den fast fertiggestellten Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) am Blauen Nil. Äthiopien, das 2020 mit der Befüllung des riesigen Stausees begonnen hat, behauptet, dass es den Strom vom GERD benötigt, um Millionen seiner Bürger aus der Armut zu befreien. Doch Ägypten ist zutiefst besorgt über die Folgen der Mega-Talsperre für den Nil, da Ägyptens Landwirtschaft vollständig vom Nilwasser abhängt – das Land hat dieses Problem bereits Anfang 2020 vor dem UN-Sicherheitsrat angesprochen. Der Sudan scheint derweil zwischen beiden Seiten gefangen zu sein. Laufende, von der Afrikanischen Union geführte Vermittlungsgespräche zur Einigung über den langfristigen Betrieb des Staudamms haben bisher wenig Früchte getragen. Gewisse Zungen haben sogar die drohende Gefahr eines "Wasserkrieges" zwischen Kairo und Addis Abeba beschworen.

Saisonale Profile

Sebastian Sterl, Experte für Energieplanung an der VUB und KU Leuven und Hauptautor der Studie, erklärt: "Der Blaue Nil ist ein stark saisonaler Fluss. Der Stausee des GERD ist so groß, dass er weitaus mehr als die jährliche Wassermenge des Flusses speichern und das ganze Jahr über gleichmäßig Wasserkraft liefern kann, wodurch die Saisonalität des Flusses aufgehoben wird. Dies ist aus äthiopischer Sicht sehr sinnvoll, verändert aber vollständig das natürliche Verhalten des Abflussregimes, das den Sudan und Ägypten erreicht. Hinter vielen Unstimmigkeiten rund um den GERD steht die Frage, wer, wenn überhaupt jemand, eine solche Kontrolle über den Nil ausüben darf"

Eine Gruppe von Forschern aus Belgien und Deutschland, unter der Leitung von Sterl, hat nun eine überraschende Methode gefunden, die mehrere Unstimmigkeiten um den Staudamm auf einmal lösen und allen drei Ländern zugute kommen könnte. Die Idee läuft darauf hinaus, moderne, saubere Solar- und Windenergie massiv einzusetzen, um die Wasserkraft des GERD zu ergänzen. Konkret: Die Forscher schlagen vor, dass Äthiopien und seine Nachbarn groß angelegte Solar- und Windparks errichten, ein regional integriertes Stromnetz aufbauen und sich dann darauf einigen, dass Äthiopien GERD’s Wasserkraft in Synergie mit Solar- und Windkraft betreibt. Das würde bedeuten, dass an sonnigen und windigen Tagen weniger Wasserkraft produziert werden müsste und somit mehr Wasser im Stausee verbleibt. Somit stünde dann mehr Wasser in wolkigen und windstillen Perioden sowie in Nächten zur Verfügung, um die Schwankungen und Defizite der Sonnen- und Windenergie auszugleichen.

Die Forscher stellten fest, dass die Potenziale für Sonnen- und Windenergie in vielen Regionen Äthiopiens, des Sudans und in den ostafrikanischen Nachbarländern entgegengesetzte saisonale Profile zum natürlichen Abflussverhaltens des Blauen Nils haben.  In der Trockenzeit fließt hier verhältnismäßig wenig Wasser, die Sonne scheint jedoch am hellsten und die Winde wehen am stärksten. Diese "saisonale Synergie" zwischen Wasser, Sonne und Wind steht im Mittelpunkt der Erkenntnisse der Forscher.

Die Studie fand heraus, dass, wenn GERD betrieben würde, um Solar- und Windenergie das ganze Jahr über - sowohl stündlich als auch saisonal – zu unterstützen, dies automatisch dazu führen würde, dass in der Trockenzeit weniger und in der Regenzeit mehr Wasserkraft produziert wird. Dies würde sich nicht negativ auf die durchschnittliche jährliche Stromproduktion des GERD’s auswirken, hätte aber den positiven Effekt, dass das aus dem Damm abfließende Wasser eine Saisonalität vorweisen würde, die dem natürlichen Abflussverhalten ähnelt, mit einem deutlichen Maximum in der Regenzeit.

Wenn GERD auf diese Weise betrieben würde, so Sterl, "hätte Äthiopien im Grunde alle erwarteten Vorteile eines großen Staudamms - aber für den Sudan und Ägypten sähe es so aus, als hätten die Äthiopier nur einen bescheidenen, relativ kleinen Stausee errichtet. Es gibt bereits viele solcher Stauseen am Nil, also könnte kein Land flussabwärts von Äthiopien wirklich etwas dagegen haben."

Regionale Zusammenarbeit

Die Forscher konnten mindestens fünf konkrete Vorteile einer solchen integrierten Wasser-Solar-Wind-Planung identifizieren, welche eine Einigung der Parteien auf gemeinsame Energie- und Wasserziele herbeiführen würde. Erstens könnte Äthiopien zum größten Stromexporteur Afrikas werden, während es gleichzeitig seine Abhängigkeit von der Wasserkraft verringern und seine Stromerzeugungskosten langfristig senken würde. Zweitens könnte der Verbrauch umweltschädlicher fossiler Brennstoffe im Sudan und anderen ostafrikanischen Ländern durch Solar- und Windenergie, unterstützt durch GERD, verdrängt werden. Drittens könnte Ägypten dank des vorgeschlagenen Betriebsschemas des GERD in Trockenjahren mehr Wasser erhalten als bisher und müsste den Betrieb seines eigenen hohen Assuan-Staudamms nicht ändern. Viertens würde Äthiopien die mehr als ein Dutzend Turbinen seines Mega-Staudamms effizienter nutzen, da dieser häufiger auf maximaler Leistung produzieren würde—immer wenn Solar- und Windkraft nicht zur Verfügung stünden. Und fünftens würde die Ökologie des Nils im Sudan durch den neuen Damm weniger beeinträchtigt, da die Saisonalität eine wichtige Komponente der ökologischen Nachhaltigkeit von Flüssen ist.

Nach Ansicht der Autoren könnte die gesamte ostafrikanische Region einen Beitrag leisten. "Äthiopien könnte theoretisch einen Alleingang wagen und den GERD nutzen, um seine eigene Solar- und Windenergie zu stützen", sagt Sterl. "Aber es würde viel besser funktionieren, wenn zum Beispiel der Sudan mitmachen würde - er hat bessere Solar- und Windressourcen als Äthiopien, was bessere Wasser-Solar-Wind-Synergien ermöglicht und die Gesamtkosten der erneuerbaren Energieerzeugung reduziert. Auch Ägypten verfügt über wichtige Solar- und Windressourcen, ebenso wie Dschibuti, der Südsudan und andere ostafrikanische Länder. Die regionale Zusammenarbeit in einem gemeinsamen, ostafrikanischen Stromnetz könnte eine wichtige Komponente solcher Strategien sein."

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine integrierte Wasser-Solar-Wind-Planung eine hochinteressante Option wäre, die bei den laufenden GERD-Verhandlungen zwischen Äthiopien, Sudan und Ägypten diskutiert werden könnte. "Man könnte es eine Win-Win-Situation nennen", sagt Prof. Wim Thiery, Klimaforscher an der VUB und Mitautor der Studie. "Die gesamte Region würde davon profitieren."

Modell

Die Forscher erzielten ihre Ergebnisse mit Hilfe eines speziellen, sehr detaillierten Computermodells (REVUB), das entwickelt wurde, um den Betrieb von Wasserkraftwerken neben anderen erneuerbaren Stromquellen wie Solar- und Windkraft zu simulieren. Das Modell wurde ursprünglich von denselben VUB-Forschern im Jahr 2019 erstellt, um Szenarien für erneuerbare Energien in Westafrika zu untersuchen. Später, als die GERD-Verhandlungen in den Medien immer präsenter wurden, erkannten die Forscher, dass sie dasselbe Tool direkt anwenden können, um Solar- und Windenergie als mögliche Lösungen für den GERD-Konflikt zu untersuchen.

Kontakt:

Sebastian STERL (EN, NL, FR, DE)
Email : [email protected]
Tel. : +316 1737 5796

Studie: Sterl et al. - 2021 - Linking solar and wind power in eastern Africa with operation of the Grand Ethiopian Renaissance Dam - https://doi.org/10.1038/s41560-021-00799-5

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